Donnerstag, 18. Dezember 2014

Rückblick auf einen Gottesdienst

Ort:                              Evangelische Kirche von Hessen und Nassau

Anlaß:                         Verabschiedung eines mir (Facebook-)befreundeten Pfarrers aus dem                                                     Pfarrdienst und dem Dienst als Dekan

Mitwirkende (u.a.):     Eine Pröpstin mit der Mentalität einer schwäbischen Hausfrau (Selbstaussage)




Diese Verabschiedung erregte mir schon im Vorfeld ein Grummeln im Magen, weil sie zeitlich kollidierte mit dem Adventskonzert und anschließenden Gottesdienst der römisch-katholischen  Nachbargemeinde. Das wirft schon mal kein gutes Licht auf ein geschwisterliches ökumenisches Miteinanders. sondern deutet eher auf Gleichgültigkeit hin.

Den gesamten Gottesdienst empfand ich nicht als besonders festlich, da habe ich weit Besseres in evangelischen Kirchen erlebt. Außer der Orgel (diese sehr gut gespielt, nur etwas sehr langsam insgesamt) erklang keine andere Musik. Wo war denn der viel gerühmte Chor dieser lebendigen und wachsenden Gemeinde (Selbstaussage der Pfarrerin anläßlich einer Werbung für den Chor)? Gibt es sonst niemand in Frankfurt, den man hätte bitten können, den Gottesdienst musikalisch zu bereichern?
So war dies eher eine würdig inszenierte und an manchen Punkten sehr bewegende Abschiedsveranstaltung mit religiösen Elementen durchsetzt, als ein Gottesdienst - zumal er ohne Abendmahlsfeier und damit eh kein vollständiger Gottesdienst war.
Auch das: wo waren eigentlich die Konfirmanden der Gemeinde, wieso hat man die nicht eingebunden, oder die Kinder der vielen Kindertagesstätten? Überhaupt, wo war die junge Generation dieser "lebendigen Gemeinde"? Haben sie etwa an ihrem monatlich stattfindenen Krabbelgottesdienst genug? Wieso haben diese alle nicht ihren Pfarrer verabschiedet? Wieso hat man sie nicht eingebunden?

Der Abschiedsgottesdienst begann mit einem etwas unbeholfen wirkenden Einzug der Mitwirkenden (die, nebenbei bemerkt, bis hin zum Hausmeister, alle namentlich, auf dem Liedblatt aufgeführt worden waren, so daß mich dieser Zettel sehr an die Programme erinnerte, die wir früher immer im Theater bekamen - als wäre der Gottesdienst eine Showveranstaltung, bei der alle Mitwirkenden bis hin zum Beleuchter und der Souffleuse namentlich erwähnt werden müssen).Bei so einem Einzug merkt man, daß diese Kirche mit Einzügen und feierlichen Prozessionen keine Übung mehr hat. So wirkte den etwas später das Holen der Altarbibel zum Lesepult zwecks Evangelienlesung etwas seltsam - nicht wie eine feierliche Prozession des Evangelium, das Christus symbolisiert, in die Mitte der Gläubigen, sondern eher wie das schnell-noch Holen- von etwas, das man vergessen hatte, vorher an seinen rechten Ort zu legen.  Der Lektor, ein Mitglied des Kirchenvorstandes, der sowohl die Versammelten am Anfang begrüßte und später das Evangelium las,  tat dies leider sehr leise, fast schüchtern und schwer verstehbar, trotz eingeschalteter Mikrofonanlage.

Die Predigt des zu Verabschiedenden war persönlich gehalten, dem Anlaß angemessen, und doch am vorgegebenen Predigttext des Sonntags orientiert, was mir sehr gefällt. Sie zauberte manches Schmunzeln auf die Gesichter und war, wie immer, gut und sorgfältig ausgearbeitet und formuliert.

Die Ansprache der Pröpstin, zu der sie selbst am Ende (und das allein und nur sie) "Amen" sagte, und ihr sonstiges Auftreten haben mich nicht überzeugt, sondern eher abgeschreckt. Dauernd sprach sie, im Rückblck auf die Dekansarbeit des zu Verabschiedenden, von dessen "Kollegen".  Warum nicht von seinen Mitbrüdern und Mitschwestern im Amt? Warum dieser Begriff, der heute so banal und alltäglich klingt und eher eine Sach-, als eine Inhaltbeschreibung darstellt für unsere (nicht mehr des Latein mächtigen) Ohren. Wollte man das so durchziehen, dann sollte man zu Predigtanfang auch die "Damen und Herren" begrüßen und nicht irgendwelche "Brüder und Schwestern".  Aber das paßt natürlich zu einer säkularisierten Kirche, die auch keinen Bischof mehr kennt (wie neutestamentliche Gemeinden) sondern nur einen "Kirchenpräsidenten" - als wäre diese Kirche ein Fußball- oder Kaninchenzüchterverein. Auch die Kirche wurde mehrmals nicht "Kirche" genannt, sondern "Gottesdienstraum". Wieder diese funktionale Beschreibung von etwas, das doch geistlichen Wert haben sollte. Aber nein, hier ist die Kirche eben ein Raum neben anderen in der Gemeinde, freilich einem bestimmten Zweck zugeordnet, wie das aber Küche, Seminarraum, Büro oder Toilette auch sind. Dabei hat es doch seinen Sinn, daß man diesen mehrbedeutigen Begriff "Kirche" gleichermaßen für die Versammlung der von Gott Herausgerufenen (ekklisia, wie es im griechischen heute noch für beides auch verwandt wird) und das Gebäude verwendet, in dem diese sich versammelt. Der Raum der Kirche bekommt so etwas ganz Besonderes, Einzigartiges, was ihn von allen anderen Räumen, die wir nutzen, unterscheidet. Gut, wir können auch im Schweinestall (Luther) beten. Aber ob das für unsere Gottesdienste und Eucharistiefeiern, die in der römischen Kirche Heilige Messe und in der Orthodoxie Göttliche Liturgie genannt und damit besonders liebevoll und ehrfürchtig benannt werden, angemessen ist, ist sehr fraglich. Sind unsere Gottesdienste nach biblischen Verständnis doch ein Abbild des Himmlischen Gottesdienstes und werden in Gemeincshaft mit allen Heiligen und Engeln gefeiert. Keiner würde auf die Idee kommen, im Schweinestall zu heiraten; im Gegenteil, da wird ein Raum besonders festlich hergerichtet. Beim Gottesdienst geht alles, scheinbar. Da braucht man auch keine Kirche, keinen besonderen, extra dafür geweihten Ort, da reicht ein "Gottesdienstraum".
Ziemlich zum Schluß des Gottesdienstes leistete sich die schwäbische Hausfrau noch ein bon mot. Sie kündigte an, daß nun noch einige Grußworte hier in der Kirche erklingen würden, doch zuvor würden sie, die "Fräckchenträger" kurz hinausgehen und ihre "Fräckchen" - die Talare, wie sie dann erklärend einschob - ausziehen. Und wollte sic schier tot lachen über ihren Witz. Man mag das harmlos und sogar amüsant finden. Ich sehe darin allerdings mehr. Die Evangelische Kirche kennt keine wirklich liturgischen Gewänder mehr. Bloß nicht etwas beibehalten, was auf so etwas wie ein ordiniertes, gar geweihtes Amt hinweisen könnte. Nur alles nivellieren. Selbst die letzte schwache Erinnerung an ein liturgisches Gewand (komisch, in ökumenischem Kontext tauchen evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen gern in diesem Gewand auf, auch wenn sie gar keine liturgische Funktion wahrnehmen) wird kontakariert, indem man es in aller Öffentlichkeit der Lächerlickeit preisgibt: "Fräckchen". In der Orthodoxie werden beim Anlegen der liturischen Gewänder (etwas abgeschwächt bei den Katholiken auch, glaube ich) Bibeltexte rezitiert und Gebete gesprochen, bestimmte Teile der Kleidung werden vor dem Anlegen geküßt. Alles hat eine bestimmte symbolische Bedeutung, ist Predigt für die Augen. Überhaupt wird ja anders als in evangelischen Gottesdiensten, bei den älteren beiden großen Kirchen mit Leib und Seele gebetet, werden alle Sinne in das Gebet einbezogen, bis dahin, wie man würdig und angemessen vor Gott dasitzt. In einer orthodoxen Kirche wird man keinen Gläubigen finden, der etwa mit übergeschlagenen Beinen dasitzt, vielleicht noch die Arme bequem auf dem Nachbarstuhl abgestützt. Auch der Körper redet. Und Inneres und Äußeres stehen in engem Zusammenhang. Leider ist da auch die durchschnittliche römische Gemeinde nicht mehr so stilsicher. Aber in einer evangelischen Kirche sizen ja selbst die Pfarrer mit übergeschlagenen Beinen da, während sie Gott Loblieder singen und manche Gemeindeglieder sitzen gar in der Art, daß der Knöchel des einen Beines auf dem Knie des anderen (vielleicht noch wippend) ruht. Und dabei "Tochter Zion" singen. Das ist einfach ungehörig und unangemessen und der Würde des Anlasses nicht gemäß. So kann man im Theater sitzen, in einer Show, bei einem Seminar, im Sessel bei der abendlichen Fernsehunterhaltung. Wenn man im Gottesdienst so sitzt, zeigt man, wie sehr im eigenen Verständnis der Gottesdienst zu solcherart Veranstaltungen verkommen ist.

Kurz und gut, oder lang und schlecht, die Erfahrung des vergangenen Sonntags hat mich dazu gebracht zu sagen: Ohne Not gehe ich nicht wieder so schnell in einen evangelischen Gottesdienst. Ich ärgere mich zu sehr. es tut mir nicht gut. Und warum soll man sich etwas aussetzen, was einen herunterzieht, wenn man nicht dazu gezwungen ist?


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