Freitag, 19. Dezember 2014

Kirche versus Gottesdienstraum

Warum ich es nicht mag, den Begriff "Kirche" durch den Begriff "Gottesdienstraum" zu ersetzen:

"Gottesdienstraum" klingt mir zu sachlich und funktional,  ein Raum, den man hauptsächlich für bestimmte Anlässe und Veranstaltungen benutzt, wie die Kaninchenzüchter einen "Versammlungsraum" haben für ihre Treffen, wir wie eine Küche zum Kochen, ein Bad zum Duschen, ein Wohnzimmer zum Relaxen haben.
"Kirche" ist mehr. Ein ausgesonderter Raum, ein heiliger Raum, ein im Idealfall geweihter (und nicht nur "eingeweihter") Raum, auf alle Fälle ein besonderer, aus dem Alltag herausgenommener Raum. Wenn in der Orthodoxen Kirche etwa der Priester (egal ob während der Vesper, dem Morgengottesdienst, der Göttlichen Liturgie oder anderer Gebetszeiten) mit dem Weihrauchfaß durch die Kirche geht und den ganzen Raum und seine Grenzen abschreitet, schneidet er quasi diesen Raum aus dem ihn Umgebenden, das Heilige aus dem Unheiligen heraus. Dieses ist, heißt das, ein besonderer Raum. Anders, als die andern Räume, in denen wir leben.

Die Kirche ist zu allererst ein Raum des Gebetes. Des gemeinschaftlichen Gebetes. Hier begegnen wir Gott in einer Intensität, wie wir sie nur schwer anderswo erfahren. Nicht, weil Gott uns anderswo und überhaupt überall nicht begegnen könnte, sondern weil wir im unserer Schwäche dieses "Hilfsmittel" des besonderen geweihten Raumes brauchen, er uns Hilfe ist. Und diese Hilfe haben, wenn wir Glück haben, Menschen bereits seit Jahrhunderten hier erfahren.
Es gibt sogar Leute die sagen, sie könnten es spüren, ob in einer Kirche etwa viel oder wenig gebetet wurde/wird.

Die Kirche ist des weiteren ein der Ort der Begegnung mit Gott in Wort und Sakrament. Sicher, wir können Gottes Wort auch zu Hause lesen und werden es hoffentlich auch täglich tun. Aber nichts dringt so tief ins Herz, als wenn es uns gesagt, zugesprochen wird. Und das geschieht hier in der Kirche, dem Ort der "Herausgerufenen", wie man Kirche (ekklisia in der griechischen Sprache des Neuen Testamentes) übersetzen könnte. Und hier (und in der Regel nur hier) empfangen wir Gott selbst in Leib und Blut im Sakrament des Altares, nehmen ihn leiblich in uns auf. Das ist eine einzigartige Begegnung, die es in der Regel nur in der Kirche gibt. Und dieses allsonntägliche  Geschehen der leiblichen Gegenwart Gottes heiligt diesen Raum, die Kirche, auf nicht zu beschreibende Weise. In römisch-katholischen Kirchen wird der Leib des Herrn sogar im Tabernakel aufbewahrt, so daß die Kirche zu allen Zeiten ein heiliger Raum der Gegenwart Gottes ist, wie es kein anderer Ort der Welt sein kann (es sei denn, man trägt die Eucharistie dort hin).

Die Kirche ist weiterhin ein Ort der Gemeinschaft. Anders als zuhause bete ich hier in der Gemeinschaft der Herausgerufenen, was eben diesen Raum zum Ort der Herausgerufenen, zur Kirche macht. Wenn Gott in den Gaben der Eucharistie leibhaftig gegenwärtig ist, so ist er in der Kirche des weiteren gegenwärtig in seinem Leib der sich versammelnden Gemeinde, was wiederum diesen Raum einzigartig und heilig macht, weil dieses gemeinschaftliche Ereignis, dieses praktische Leib-Christi-sein in der Regel hier geschieht.

Nun könnte man, wenn man wollte, all das auch in den Zusammenhang des Begriffes "Gottesdienstraum" bringen. Aber indem dieser Wortteil "Raum" dabei steht, wird der  Gottesdienstraum quasi in eine Reihe gestellt mit all den verschiedenen Räumen, die wir nutzen. Und die Besonderheit, Einzigartigkeit, Heiligkeit dieses einen Raumes wird nicht so deutlich.
Wenn ich aber von der Kirche rede, dann ist dieser Begriff der "Heiligkeit" sofort impliziert und die gedankliche Verbindung hergestellt zum Leib Christi, der wir selber sind und den wir hier empfangen. Warum auch muß man durch bald zweitausend Jahre geprägte und mit bestimmtem Inhalt versehene Begriffe ohne Not ändern und durch so blasse neuzeitliche Worte ersetzen? Ist es da verwunderlich, wenn ich dahinter eine gewisse gestörte Beziehung zu dem Begriff "Kirche" vermute (schließlich steht er zusätzlich auch noch für die Institution)?

Und weil ich Überspitzungen liebe, sage ich zum Schluß: Die Kirche ist nicht der eine Raum mit besonderer Nutzung neben anderen Räumen, die wir andersartig nutzen, sie ist DER EINE Raum, den wir brauchen wie keinen anderen, weil uns Gott hier in einzigartiger Weise begegnet.
Und sie ist auch unter der Woche, wenn kein Gottesdienst stattfindet, Ort der besonderen Gegenwart Gottes, nicht nur, wenn dort Gottesdienst gefeiert wird.

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